Lernen ohne Denken?

7,8 Millionen Euro wurden im letzten Schuljahr allein in Kärnten für Nachhilfe ausgegeben (Österreichweit Rund 126 Millionen Euro). Das sagt eine IFES Studie, die von der AK in Auftrag gegeben wurde. Neben der bezahlten Nachhilfe lernen zudem Eltern oder andere Bezugspersonen so gut wie täglich mit ihren Sprösslingen. Im Klartext bedeutet das, dass drei Viertel der Väter und Mütter als unfreiwillige „Hilfslehrer“ fungieren.

Hauptgrund dafür ist, dass die Schülerinnen und Schüler einerseits sehr selten von sich aus motiviert sind zu lernen und andererseits sehr oft nicht in der Lage sind sich den Lernstoff selbst so zu erklären, dass sie ihn inhaltlich verstehen bzw. so in ihrem Gedächtnis verankern können, dass er zur Prüfung entsprechend wiedergegeben werden kann.

Die sanfte Bildunsgrevolution möchte einige interessante Blickwinkel eröffnen, die Sie das Thema aus einer anderen Perspektive sehen lässt. Vielfach werden ja strukturelle Maßnahmen in der Öffentlichkeit diskutiert, jedoch wenig praktische Lösungen aufgezeigt - hier sollen Sie top-moderne und altbewährte Lernstrategien erhalten.

Diemal wollen wir uns dem Pokemon-Phänomen widmen. Viele Kinder merken sich scheinbar mühelos die Namen und Eigenschaften von mehr als hundert Pokemon Figuren plus den Entwicklungsstufen die sie zueinander einnehmen. Das ist hochkomplexes Wissen, das sie sich spielerisch innerhalb kürzester Zeit aneignen. Also dürften die Gehirne unserer Sprösslinge prinzipiell ausgezeichnet funktionieren. So gibt es z.B. in Deutschland mehr Kinder, die tiefgehendes Wissen über mehr als 100 Pokemon Figuren besitzen als solche, die die Namen der 16 Bundesländer von Deutschland wiedergeben können. Damit drängt sich dem kritischen Beobachter die Frage auf, ob es vielleicht nicht an den Gehirnen und dem Lernwillen der Kinder liegt, sondern vielleicht nur an der Art und Weise wie Lernstoff vermittelt wird.

Als Beispiel dafür wollen wir die (auch unter Erwachsenen) scheinbar weit verbreitete Lernblockade für die Farben der olympischen Ringe näher ansehen. Denn wir haben dieses Symbol schon viele tausende Male gesehen und sind zumeist trotzdem nicht in der Lage zu sagen, welche Farben die olympischen Ringe aufweisen, geschweige denn, in welcher Reihenfolge diese Farben erscheinen. Das hat auch einen guten Grund. Denn wir haben nicht wirklich etwas davon, wenn wir diese Farbreihenfolge wiedergeben können. Es macht also keinen Sinn für uns, das zu wissen. Der Mensch ist aber ein „sinnsuchendes Wesen“. Und wenn wir einen Sinn in einer Sache erkennen, können wir uns Fakten dazu leicht merken. Fehlt uns der Sinn dazu – und bei Schülerinnen und Schülern kommt das gar nicht so selten vor, dass sie nicht sehen können, wo der Sinn liegt, das zu lernen, was die Lehrkräfte ihnen beibringen möchten – müssen wir uns irgendwelcher Tricks bedienen, die auch dann funktionieren, wenn der „Sinn der Sache“ fehlt.

Und damit kommen wir sinngemäß wieder zurück zu unserm Beispiel der olympischen Ringe. Um uns die Farbreihenfolge nachhaltig merken zu können, müssen wir uns schon besonderer Lernreflexe bedienen, damit dieses „sinnlose Wissen“ verankert wird.

Dazu brauchen wir uns aber nichts zu merken. Wir stellen uns dazu lediglich, so lebhaft wie nur möglich, einen Betrunkenen vor, der auf einen Eisenbahntunnel zuwankt. Dort bleibt er verdutzt stehen, weil die Ampel am Tunnelportal ROT anzeigt. Plötzlich springt die Ampel auf GELB. Ein Ruck geht durch seinen Körper. Er macht sich startklar. Und wie die Ampel auf GRÜN springt, läuft er in den Tunnel hinein.
„Wissen Sie noch, worauf der Betrunkene zugewankt ist?“
So lautet die erste Frage an das Publikum bei einem Basis-Gedächtnistraining.
Und das Publikum antwortet mit: „… auf einen Eisenbahntunnel“.
„Und warum ist er dort plötzlich stehen geblieben?“
Diesmal antwortet das Publikum schon lauter: „… weil die Ampel ROT anzeigt!“.
„bei welcher Farbe hat er sich startklar gemacht?“
„… bei GELB“
„und losgelaufen ist er bei …?“
„… GRÜN“

„Welche Farbe würden Sie einem Betrunkenen zuordnen?“
„BLAU“, lautet die von Gelächter begleitete Antwort der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
„Und welche Farbe würden Sie einem Eisenbahntunnel zuordnen?“
„SCHWARZ“, tönt es durch den Saal.
„Wie war die Reihenfolge der Ampelfarben bei dieser Geschichte?“
„ROT, GELB, GRÜN“

Diese Bild-Geschichte ist nun im „chronologischen Gedächtnis“ hinterlegt, und repräsentiert die Farbreihenfolge der olympischen Ringe von links oben gelesen: BLAU, SCHWARZ, ROT, GELB und GRÜN. Sehen Sie sich dazu unser Video an, das Sie im Online Teil unserer Website www.woche.at mit dem Webcode _____ aufrufen können.

Diese Geschichte erhöht die Wahrscheinlichkeit nun dramatisch, dass Sie sich auch später noch an die Farbreihenfolge der olympischen Ringe erinnern können. Im Gegenteil, jedes Mal wenn Sie wieder eine Abbildung der olympischen Ringe sehen, wird ihr „chronologisches Gedächtnis“ die Geschichte vom Betrunkenen wieder aktivieren. Das ist das Wesen von sog. Lernreflexen, durch die natürlich angelegte Gedächtnisfunktionen aktiviert werden und von denen wir Ihnen in den kommenden Wochen noch weitere Beispiele vorstellen möchten.

 

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